Unter dem Titel Paradise Tossed, präsentiert das IMAI – Inter Media Art Institute eine vierteilige Reihe im NRW-Forum Düsseldorf.
Ausgehend von dem gleichnamigen Video von Jill Scott von 1992, werden künstlerische Arbeiten vorgestellt, in denen aus (queer-)feministischer Perspektive über dystopische, aber auch hoffnungsvolle Zukunftsszenarien spekuliert wird.
Im Fokus steht die Beziehung zwischen technischer Entwicklung, Umwelt und Arbeit, der in Landschaften, aber auch in häuslichen Umgebungen, nachgegangen wird. Dem Rhythmus von Scotts Arbeit folgend – die sich in die Kapitel 1900er, 1930er, 1960er und 1990er gliedert –, werden in den Screenings Momente des Konflikts und Widerstands, aber auch der Versöhnung und Intimität vor dem Hintergrund der Herausforderungen der 2020er Jahre skizziert.
4.6.2023 – 9.7.2023
In Paradise Tossed führt Jill Scott (*1952, lebt in Zürich) die Zuschauer_innen in digital animierte Kosmen, in denen sich Werkzeuge und Produkte der Arbeit mit Interieurs verschiedener Jahrzehnte zu traumhaft anmutenden Landschaften verbinden.
Eingeführt und „gehalten“ von schützenden Händen, gleiten wir in unterschiedliche Jahrzehnte und Realitäten, in der die Ideologien von technischem Fortschritt, Design und Konsum von weiblich gelesenen Stimmen ironisch kommentiert werden. Die Klänge der Maschinen und Atem- und Schluckgeräusche verbinden sich dabei zu einem polyphonen Soundtrack der Beschleunigung, Arbeitsleistung – vielleicht aber auch der Erschöpfung. „Mir ging es um die Erkundung der spannungsvollen Beziehung zwischen Begehren und Design innerhalb verschiedener Jahrzehnte. Erscheinen die utopischen Welten mit ihren sauberen und gelackten Inneneinrichtungen durch die 3-D-Animation übertrieben? Dienen solche Welten als Waffe der Verführung, um für technologische Utopien zu begeistern?“ (Jill Scott)
Programm:
Jill Scott, Paradise Tossed, 1992, 14:00 min.
18.8.2023 - 29.10.2023
Paradise Tossed schließt mit Jill Scotts Worten: „Where do we go from here?“ – eine Frage, die zugleich wie eine Aufforderung zum Kurswechsel wirkt. Doch was könnte auf Fortschrittsglaube und Wachstumsideologie folgen?
Unter den Stichworten return (Rückkehr), breakdown (Zusammenbruch) und convive (Zusammenleben) versammelt dieses Kapitel Positionen, die neue Wege erkunden. Return – Jen Liu (*1976, lebt in New York) verarbeitet nationalistische Fantasien der Reindustrialisierung Nordamerikas, indem Symbole der Macht und Kontrolle mit Texten konfrontiert werden, die eine Überwindung hegemonialer Strukturen anstreben. Breakdown – Monika Funke Stern (*1943, lebt in Berlin) wirft wiederum die Frage auf, inwiefern eine nicht patentierbare Erfindung zum Zusammenbruch besitzindividualistischer Ordnungen führen könnte – mit Folgen für den disziplinierten Arbeitsalltag ihrer Protagonistin. Convive – Eine Müllkippe – Sinnbild der Überproduktion unserer Wegwerfgesellschaft – steht im Zentrum von Tejal Shahs (*1979, lebt in Mumbai) Video. Was passiert, wenn diese Nicht-Orte unseren Lebensraum vereinnahmen und können hier auch neue Beziehungen geknüpft werden?
Programm:
Jen Liu, Machinist’s Lament, 2014, 17:48 min.
Monika Funke Stern, Zum Glück gibt’s kein Patent, 1985, 14:17 min.
Tejal Shah, Between the Waves, Channel II - Landfill Dance, 2012, 5:02 min.
Kuratorin: Kat Lawinia Gorska
31.10.2023 - 21.1.2024
Jill Scott hat die einzelnen Kapitel ihrer Arbeit Paradise Tossed mit den Begriffen help, hope, growth und change versehen. Darin spiegeln sich Hoffnungen, Erwartungen und Visionen wider, die das 20. Jahrhundert geprägt haben. Was ist heute davon geblieben?
Die vorgestellten Arbeiten tragen die feministische Perspektive Scotts in unsere Zeit. Die beschleunigte Lebensweise, bestimmt durch Konsum, flüchtige Kommunikation und Beziehungen führt zum Untergang der satirisch dargestellten Figur des „Denkers“ in Max Almys (*1948, lebt in Malibu und Savannah) gleichnamigem Video, das durch verschiedene Epochen männlicher Dominanz führt. Nastja Säde Rönkkö (*1985, lebt in London und Helsinki) fängt in poetischen Bildern die Fragilität der Natur ein, deren Zerstörung unaufhaltbar scheint. Dabei richtet sich die Botschaft der Künstlerin an die kommenden Generationen von Spezies, die überleben werden. Die eigene Familie ist wiederum der Ausgangspunkt der Arbeit von María Alcaide (*1992, lebt in Paris), die über das Aufwachsen in den patriarchalen Strukturen des ländlichen Raums Spaniens reflektiert und die Unterdrückung von Frauen mit den ausbeuterischen Verhältnissen der Fleischproduktion in Beziehung setzt.
Programm:
Max Almy, The Thinker, 1989, 7:39 min.
Nastja Säde Rönkkö, Milk & Decay, 2019, 9:32 min.
María Alcaide, Carne de mi carne: Entraña, 2021, 35:53 min.
Kuratorin: Darija Šimunović
16.2.2024 - 26.5.2024
Ausgehend von Dara Birnbaums (*1946, lebt in New York) Evocation, in der eine alltägliche Spielplatzszene zum Auslöser transzendentaler Erfahrungen wird, untersucht das letzte Kapitel der Reihe das visionäre Potential von alternativen psychischen Realitäten und zwischenmenschlichen Beziehungen.
In ihrer vom Faust-Mythos inspirierten Trilogie collagiert Birnbaum Introspektionen – sich verflüchtigende Erinnerungen ihrer Protagonist_innen – mit Stadtlandschaften im Zerfall. Von den Worten der Kulturtheoretikerin Lauren Berlant begleitet, testet Jiajia Zhang (*1995, lebt in Zürich) in ihrer Videoarbeit die halluzinogene Wirkung der schillernden Fassaden von Shopping-Distrikten. Im Sinne Berlants werden hier unterschiedliche Stadien der Transformation und Zugehörigkeit zur urbanen Umgebung erprobt. Dani und Sheilah ReStack (*1972 / *1975, leben in Ohio) etablieren in ihrer Lebens- und Kunstpraxis mit dem „wilden Häuslichen“ schließlich einen ganz konkreten Freiraum, in dem queeres Verlangen, Mutterschaft, Altern und hieraus resultierende Ängste und Hoffnungen in ihrer radikalen Körperlichkeit geteilt werden.
Programm:
Dara Birnbaum, Evocation, 1983, 10 min.
Dara Birnbaum, Damnation of Faust: Will-o’-the-Wisp (A Deceitful Goal), 1985, 5:38 min.
Dara Birnbaum, Damnation of Faust: Charming Landscape, 1987, 6:30 min.
Jiajia Zhang, Beautiful Mistakes (after LB), 2022, 8:57 min.
Dani & Sheilah ReStack, The Sky’s In There, 2022, 11:24 min.
Kuratorin: Nele Kaczmarek
Kuratorinnen: Kat Lawinia Gorska, Nele Kaczmarek und Darija Šimunović mit Unterstützung von Lucia Horňáková
Videolounge der Stiftung IMAI im linken Ausstellungsflügel, NRW-Forum, Düsseldorf