Und mir gefällt der Gedanke, dass die Töpferei, die ich 2016 gemacht habe, 20.000 Jahre später von einer ganz neuen Zivilisation entdeckt werden könnte, die dann versucht zu analysieren wer wir waren und wie wir lebten. Und ich hoffe, dass sie dann den ironischen Aspekt der Arbeit verstehen wird.
Du hast über 10.000 Bilder gesammelt: Wie ordnest du dein Archiv?
Über die Jahre hinweg habe ich immer Bilder gefunden, die in neuer Form
wieder erscheinen. Ein Genre, gemacht von Menschen, die einem neuen
Trend folgen, und dafür alte Bilder, die sie mögen, wieder verwenden.
Aus diesen Bildern habe ich Werkzyklen gemacht. Über die Jahre hinweg
habe ich zu diesen Themen mit meinem Verleger RVB ein paar Bücher
gemacht: „SOTP“ über falschgeschriebene Straßenschilder. Es gibt viele
Straßenschilder mit orthografischen Fehlern, die dann die ursprüngliche
Botschaft zerstören. Muss man anhalten, wenn die Botschaft auf einem
Schild „SOTP“ ist? Weitere Bücher sind:
„Cry me a river“ über
Menschen, die Zwiebeln fotografieren, die mehr als einen Sprössling
haben. Wenn man diese Zwiebeln dann halbiert, sieht es nach einem
Smiley-Gesicht aus. Außerdem: „Toilet Fail“, eine Sammlung über
fehlerhafte Architektur von Toiletten, „Status: Delivered“, Bilder
schlecht zugestellter Pakete,
„Wrong Photography“, Bilder von Menschen, die falsch fotografieren. Und es werden noch einige weitere Bücher folgen.
Warum schleust du diese Amateurkultur in die Kunstwelt ein?
TM:
Ich bin überzeugt, dass Henri Cartier-Bresson und sein „auslösender
Moment“ eine einflussreiche Person der 50er Jahre war, so wie die
Bechers in der deutschen Fotogeschichte oder die „Street
Photography“-Bewegung in den USA. Viele Künstler kämpfen damit ihre
eigene Handschrift zu entwickeln, aber ich finde, dass ganz normale
Menschen auch sehr viel wertvolle Bilder produzieren. Meine Arbeit
besteht darin, die Bilder in einen anderen Kontext zu bringen und zu
hoffen, dass man so den Bildern einen zweiten Blick schenkt. Das ist
auch kein neuer Gedanke, viele Dada-Künstler und Surrealisten haben die
ganze Zeit so gearbeitet. Deshalb feiere ich auch Künstler wie
Hans-Peter Feldmann, John Baldessari und Mike Kelley – und ich bin
überzeugt, dass es heute wichtig ist, so weiterzuarbeiten.
Natürlich veralberst du mit vielen Arbeiten auch den Kunstbetrieb. Beißt du damit nicht die Hand, die dich füttert?
Ich glaube nicht, dass ich Teil dieses Systems bin. Aber es gefällt
mir, dass meine Arbeit auch diesen kritischen Aspekt hat. Ich habe nie
darauf gewartet von der Kunstwelt bejubelt zu werden, aber ich freue
mich, dass ich jetzt eine institutionelle Einzelausstellung habe, bei
der ich 10 Jahre meines Schaffens präsentieren kann. Und es ist auf
jeden Fall ein Beweis dafür, dass Kultureinrichtungen auch Humor haben
können.