Thomas Mailaender

Ausstellungsansicht Thomas Mailaender: The Fun Archive © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

The Fun Archive

3. Februar – 30. April 2017

Ausstellungsansicht Thomas Mailaender: The Fun Archive © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

Mit der Einzelausstellung The Fun Archive präsentieren wir Thomas Mailaenders erste große Retrospektive in Deutschland. Der französische Künstler sammelt Artefakte der Netzkultur – anonyme Amateurfotografien, Internet-Meme und Netztrash – die er archiviert, weiterverarbeitet und in die Welt der Hochkultur einschleust. 

The Fun Archive zeigt neue Serien wie Illustrated People und Cyanotypes, berühmte ältere Arbeiten wie Handicraft und spektakuläre Rauminstallationen.

„Thomas Mailaender ironisiert Kunst, das Internet – aber irgendwie auch sich selbst. Er zeigt, was im Internet und der Kunst untergeht: das ganz alltägliche Leben.“ - Deutschlandradio Kultur

„Die Intention Mailaenders ist schwer zu ergründen, sein spielerischer, humoriger wie auch zynischer Umgang mit den heiligen Hallen der Hochkultur, mit mitunter allzu unreflektiertem Massenkonsum von Kunst, ist auf jeden Fall bemerkenswert.“ - Rheinische Post

"Kitschig, bizarr, visuell lärmend, durchgeknallt, kurz - eine angemessene Würdigung des Internet-Trashs." - k.west l März 2017

Seit über 15 Jahren arbeitet der Multimedia-Künstler an dem ständig wachsenden Fun Archive, eine persönliche Sammlung und Datenbank bizarrer, missglückter, komischer Bilder und Objekte der Alltagskultur, die er im Netz und auf Flohmärkten findet. Mittlerweile hat er über 11.000 Fundstücke archiviert, die er mithilfe verschiedener Techniken bearbeitet, „recycelt“ und in die Welt der Kunst einschleust. Er erhebt Trashiges, Amateurhaftes und Volkstümliches in den Stand der Hochkultur, ironisiert die Kunstwelt ebenso wie das Banale und Alltägliche und manifestiert  Humor und Entertainment als Kategorien der Kunst.

Ausstellungsansicht Thomas Mailaender: The Fun Archive © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

Thomas Mailaender hat vielfältige Techniken entwickelt, mit denen er die gesammelten Bilder aus dem Fun Archive in die Tradition der Kunst überführt. Für die Serie Cyanotypes druckt er digitale Bilder aus dem Netz aus und reproduziert sie mit einem der ältetesten fotografischen Druckverfahren, der Cyanotypie, macht aus „originalen“ digitalen Bilder auratischer Einzeldrucke, die ironisch mit dekorativen Mustern und der Geschichte der Fotografie spielen. Für die Serie Handicraft verarbeitet er Internetbilder auf keramischer Handarbeit – groteske Fail-Fotografien auf missglücktem Kunsthandwerk. Illustrated People ist die Dokumentation einer Performance, bei der er Original-Negative aus der Sammlung des Archive of Modern Conflict auf die Haut von Menschen aufbringt und mit einer UV Lampe bestrahlt, wodurch ein Positiv-Bild auf den Körpern der Modelle erscheint. Noch einen Schritt weiter geht er mit der Serie No Pain No Gain, für die er sich selbst und seinen Modellen den Schriftzug Fun tätowiert.

„Das ist zeitgenössische Archäologie“

Ein Gespräch mit Thomas Mailaender über Trash aus dem Netz, Amateurfotografie und den humorlosen Kunstbetrieb

Alain Bieber: Wie kam es zu deiner Obsession für Internet-Trashbilder? 

Thomas Mailaender: Ich sammle diese Bilder bereits seit 2007. Als Student entdeckte ich das Internet und seine Bilderflut. Es war die Zeit als viele Menschen anfingen Bilder mit dem Rest der Welt zu teilen, lange vor Instagram oder Facebook. Ich wurde süchtig nach diesen Bildern. Schon früh wurde mir bewusst, dass diese Bilder starke Zeitdokumente sind, darüber wie sich unsere Welt mit dem Aufkommen des Internets verändert.

Du hast Fotografie studiert: Hattest Du nie den Wunsch selbst zu fotografieren?

Ich habe an der Pariser Kunsthochschule Fotografie studiert und danach an der Villa Arson in Nizza zeitgenössische Kunst. Wir hatten dort auch interessante Kurse zur Fotogeschichte, mich hat aber schon damals erstaunt, dass Amateurfotografie so wenig Beachtung erfuhr. Ich wollte mit gefundenem Material arbeiten und vor allem mit Bildern, die keinen Zugang zu Museen finden. Manchmal fotografiere ich auch noch selbst, fühle mich dann aber schnell schuldig. Ich will der Welt nicht noch mehr Bilder hinzufügen. Es gibt schon viel zu viele davon.

Was können wir vom „Fun Archive“ lernen? 

„Fun Archive“ ist Titel meiner zehnjährigen fotografischen Sammlung. Diese Sammlung hat eine gemeinsame Qualität: Jedes einzelne Bild gibt uns Auskunft darüber wie wir leben. Wie unsere Gesellschaft beschaffen ist und wie wir uns selbst in dieser Dekade positionieren. Für mich ist das zeitgenössische Archäologie. Wir leben gerade in einer prägenden Zeit, einer Ära, in der auf einmal ein großer Teil aller Informationen fast allen Menschen auf der Erde zugänglich ist. Und ich habe ein Faible für die schmutzigsten Bilder, die für mich aber auch zu den relevantesten gehören.

Deine Kunst versucht das Archiv zum Leben zu erwecken. Was sollte mit deinem Archiv passieren, wenn du einmal nicht mehr lebst? 

Ich möchte meine Sammlung real werden lassen. Viele der Bilder, die ich sammle, sind temporär. Festplatten gehen kaputt, digitale Daten werden gelöscht.  Meine Arbeit besteht darin, diese Bilder in die „reale Welt“ zu übertragen. In all meinen Projekten verbinde ich das Ephemere mit traditionellen Techniken, die einen nachhaltigen Wert haben, wie zum Beispiel das fotografische Druckverfahren der Cyanotypie oder mit Keramik. Über meinen eigenen Tod denke ich nicht nach, aber über die ökologische Katastrophe, die einmal unsere Erde zerstören könnte. 

Und mir gefällt der Gedanke, dass die Töpferei, die ich 2016 gemacht habe, 20.000 Jahre später von einer ganz neuen Zivilisation entdeckt werden könnte, die dann versucht zu analysieren wer wir waren und wie wir lebten. Und ich hoffe, dass sie dann den ironischen Aspekt der Arbeit verstehen wird.

Du hast über 10.000 Bilder gesammelt: Wie ordnest du dein Archiv? 

Über die Jahre hinweg habe ich immer Bilder gefunden, die in neuer Form wieder erscheinen. Ein Genre, gemacht von Menschen, die einem neuen Trend folgen, und dafür alte Bilder, die sie mögen, wieder verwenden. Aus diesen Bildern habe ich Werkzyklen gemacht. Über die Jahre hinweg habe ich zu diesen Themen mit meinem Verleger RVB ein paar Bücher gemacht: „SOTP“ über falschgeschriebene Straßenschilder. Es gibt viele Straßenschilder mit orthografischen Fehlern, die dann die ursprüngliche Botschaft zerstören. Muss man anhalten, wenn die Botschaft auf einem Schild „SOTP“ ist? Weitere Bücher sind: „Cry me a river“ über Menschen, die Zwiebeln fotografieren, die mehr als einen Sprössling haben. Wenn man diese Zwiebeln dann halbiert, sieht es nach einem Smiley-Gesicht aus. Außerdem: „Toilet Fail“, eine Sammlung über fehlerhafte Architektur von Toiletten, „Status: Delivered“, Bilder schlecht zugestellter Pakete, „Wrong Photography“, Bilder von Menschen, die falsch fotografieren. Und es werden noch einige weitere Bücher folgen.   

Warum schleust du diese Amateurkultur in die Kunstwelt ein? 

TM: Ich bin überzeugt, dass Henri Cartier-Bresson und sein „auslösender Moment“ eine einflussreiche Person der 50er Jahre war, so wie die Bechers in der deutschen Fotogeschichte oder die „Street Photography“-Bewegung in den USA. Viele Künstler kämpfen damit ihre eigene Handschrift zu entwickeln, aber ich finde, dass ganz normale Menschen auch sehr viel wertvolle Bilder produzieren. Meine Arbeit besteht darin, die Bilder in einen anderen Kontext zu bringen und zu hoffen, dass man so den Bildern einen zweiten Blick schenkt. Das ist auch kein neuer Gedanke, viele Dada-Künstler und Surrealisten haben die ganze Zeit so gearbeitet. Deshalb feiere ich auch Künstler wie Hans-Peter Feldmann, John Baldessari und Mike Kelley – und ich bin überzeugt, dass es heute wichtig ist, so weiterzuarbeiten.

Natürlich veralberst du mit vielen Arbeiten auch den Kunstbetrieb. Beißt du damit nicht die Hand, die dich füttert? 

Ich glaube nicht, dass ich Teil dieses Systems bin. Aber es gefällt mir, dass meine Arbeit auch diesen kritischen Aspekt hat. Ich habe nie darauf gewartet von der Kunstwelt bejubelt zu werden, aber ich freue mich, dass ich jetzt eine institutionelle Einzelausstellung habe, bei der ich 10 Jahre meines Schaffens präsentieren kann. Und es ist auf jeden Fall ein Beweis dafür, dass Kultureinrichtungen auch Humor haben können.

Im Rahmen des

Projektpartner

Mit Beteiligung des Bureau des arts plastique / Institut français, im Rahmen des Ehrengastauftritts Franfreichs bei der frankfurter Buchmesse http://www.francfort2017.com

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